Beitrag zur Stadtentwicklung
Stadtentwicklung, Projektentwicklung, Projektsteuerung: abgewetzte Schlagwörter. Universell, fachübergreifend und leider oft falsch verstanden eingesetzt. Fälschlich vor allem von Juristen definiert als der Fakt Grundstück, was durch Schaffung von Baurecht entwickelt wird, bezeichnet. Die Stadtplanung plant, hält und schafft Baurecht. Fertzsch wie der Sachse sagt. Ein fataler Irrtum, der daran liegt, dass der Jurist dazu ausgebildet ist, einen Lebenssachverhalt, von dem er denkt, jeder sei sehr individuell- weshalb der Jurist sich auch für nicht ersetzbar, vor allem nicht maschinell standardisierbar hält – einer Rechtsgrundlage zuzuordnen.
Während die Projektentwicklung die Einbindung umfassender Leistungen erfordert, die Projektsteuerung oft nur als technische Abarbeitung eines Bauprojektes definiert und auch so gemanagt wird, beschäftigt sich die Stadtentwicklung neben der räumlichen mit der historischen und strukturellen Entwicklung, also der gesamtheitlichen Entwicklung einer Stadt. Leipzig hatte nach über 10 Jahren Leipziger Modell in der gemeinsamen Stadtgestaltung 2004 durch die Verwaltung im interdisziplinären Arbeiten amts- fach und beraterübergreifend mit den Besten der Besten mit der Leipzig Charta internationale Standards gesetzt. Leipzig hat zur bundespolitischen und damit internationalen Beschäftigung mit der nationalen Stadtentwicklung geführt. Denn urbane Räume in Zeiten der globalen Welt haben gleiche, zumindest ähnliche Probleme. Der Strukturwandel durch die zwischenzeitlich vierte und wohl einschneidendste industrielle Revolution, 4.0 genannt und überwiegend nicht verstanden. Diese Informationsrevolution folgt 1.0, der mechanischen, 2.0, der elektronischen und 3.0, der digitalen als totale Vernetzung. Ganze Berufsgruppen werden wegfallen, arbeiten und wohnen wird völlig neu definiert werden.
Städte und Orte wachsen nicht einfach so, in dem sie von der Innenstadt ausgehend konzentrisch nach und nach durch Bebauung egal durch welchen Investor entwickelt werden. Leipzig hatte 1923 über 730.000 Einwohner, nun steuert die Stadt von einigungsbedingt geschrumpft auf 430.000 Mitte der 90ziger auf bald 600.000 zu. Die Geburtenrate ist höher als die Sterberate, neue Jobs sind entstanden, die City pulsiert. Mehr Übernachtungen, mehr Hotels, mehr Bau! Aber eine um 7 Prozent niedriger Kaufkraft als z.B. Chemnitz. Warum? Leipzig ist in der Wertschöpfung nicht gut, Immobilienmacher vertreiben ihre Wohnungen primär Richtung Westen, Leuchttürme haben sog. verlängerte Werkbanken geschaffen. Produzierende Kreativität, sei es im Netz oder real wird auf perfekt geeigneten Flächen im Eigentum der Stadt oder ihrer Gesellschaften durch großflächigen Handel verdrängt.
Doch hier die wohnungspolitischen Fakten: Mit einem jährlichen Bevölkerungswachstum von mehr als 2 % ist Leipzig derzeit eine der am stärksten wachsenden Städte Deutschlands. Die kürzlich veröffentlichte Bevölkerungsvorausschätzung der Stadt bestätigt diesen Wachstumstrend und geht von Zahlen bis über 700.000 Einwohner im Jahr 2030 aus. Gestiegene Miet- und Immobilienpreise sowie zahlreiche Wohnungsbauprojekte zeigen, dass der Wohnungsmarkt bereits auf diese Entwicklungen reagiert und dass Investitionen sich wieder lohnen. Dank gestiegener Einkommen kann sich ein Großteil der Bevölkerung diese Preise auch leisten.
Um einen attraktiven Wohnungsmarkt für alle Leipzigerinnen und Leipziger jedoch auch in Zukunft zu erhalten, hat die Verwaltung im Oktober 2015 ein neues Wohnungspolitisches Konzepts vorgelegt, was der Stadtrat beschlossen hat. Hiermit wurden Weichen gestellt, damit Wohnraum vielfältig, qualitätvoll, bezahlbar, bedarfsgerecht für alle Lebensphasen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen kann. Im vergangenen Jahr hat sich der Umsatz auf dem Leipziger Grundstücksmarkt um mehr als 50 % erhöht. Dies erhöht die Gefahr von Spekulationen und des Blockierens von Nachverdichtungsprojekten und Quartiersentwicklungen. Die aktuellen Baukosten führen gleichzeitig dazu, dass neue Wohnungen nur in einem oberen Mietpreissegment entstehen. Wir benötigen in Sachsen aber eine Wohnungsbauförderung, mit der wir die Schaffung preisgünstiger Wohnungen sowie den Erhalt und die Entwicklung sozial gemischter Quartiere im gesamten Stadtgebiet gezielt unterstützen können, die unabdingbar gekoppelt werden muss mit einer strategischen Liegenschaftspolitik als DEM Schlüssel, der das Schloss der enormen und zugleich unglaublich spannenden Herausforderungen von 4.0 und dem Menschen darin aufzuschließen vermag. Dabei darf nicht ausschließlich betriebswirtschaftliche Exelbetrachtung des Mikrokosmos das Maß aller Dinge sein. Ein reiner Sparhaushalt, der ideenlos ist, da er die Notwendigkeit der über Eigenanteil stellende, jeweils hohe Anteile anderer Fördermittel einbringende Leverages nicht erkennt und sich dem radikalen bevorstehenden unabwendbaren Design of Society merkantil und intellektuell nicht zu stellen vermag ist kein brauchbares Instrument.
In Zeiten steigender Flächennachfrage gilt es punktuell strategische Entwicklungsflächen durch Erwerb zu sichern. Hierbei geht es einerseits um Flächen, die zur Weiterentwicklung der nutzungsgemischten Stadt, z.B. durch die Ansiedlung sozialer Infrastruktur, Gewerbe und Wohnen in räumlicher Nähe, beitragen. Andererseits geht es zur Aktivierung in den Schwerpunkträumen der Stadtentwicklung um den punktuellen Ankauf geeigneter, teilweise im Bestand gefährdeter Gebäude und geeigneter Flächen, deren Vorbereitung und späteren Weiterveräußerung entsprechend festgelegter Kriterien (mittels Konzeptveräußerung) z.B. an Projektträger kooperativer Wohnformen oder Familien. Ziel ist es, Marktnachteile, z.B. durch zeitlichen Mehrbedarf zur Projektentwicklung (u.a. für gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse), zu dämpfen.
Zwischenstand: Leipzig hat gar keinen Grund sich auszuruhen, die Verwaltung muss es schaffen, interdisziplinär projektentwickelnd und an höchster Stelle aktiv gesteuert Stadtentwicklung zu machen. 4.0 wird nicht nur in der Realwirtschaft, sondern gerade auch im öffentlichen Dienst in Entgrenzung übergehen werden, wenn nicht schon passiert. Das heißt, die Aufteilung in Fachbereiche ist nicht mehr gefragt, white color Jobs, blackchain Technologie, 3 D Print, robotic technics und intelligente Daten werden weit über die völlig unzureichende rechtlichen Regelungen der vernetzten Intelligenz und der elektronischen Akten unsere Städte weltweit binnen 10 Jahren fluten. Radikale Veränderungen erfordern interaktive Prozesse, wie die einer klugen Stadtentwicklung. Wir können das!!!!