Boden – und Wohnungspolitik im Aufbruch
Das Erbbaurecht als natürliches Instrument von Bodenpolitik und Stadtentwicklung
Die Bodenpolitik steht ganz oben auf der Tagesordnung. Neben den in den 90zigern global mobil gewordenen „immobilen Finanzprodukten“ bleibt der Grund und Boden immobil und begrenzte Ressource, ein „shrinking space“. Dabei ist doch das aufstehende, mit dem Grund und Boden verbundene Gebäude nach dem BGB wesentlicher Bestandteil der Liegenschaft. So haben sich die Bodenpreise seit 2008 verdreifacht und verursachen in den Großstädten bis zu 70% der Anschaffungskosten.
Ohne private Investitionen sind Bund, Land und vorrangig Kommunen nicht in der Lage den stark ansteigenden Bedarfen der Bevölkerung von Wohnen bis zur Logistik Herr zu werden. Der zwischenzeitlich politisch heftig attackierte Tummelplatz der (inter-)nationalen Investoren war politisch gewollt und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Noch schlimmer, Kommunen und der Bund haben im großem Stil zum Befüllen der Kassen das Tafelsilber veräußert. Nun besteht die Herausforderung darin, für die Bedarfe für der technischen und sozialen Infrastruktur des wachsenden Gemeinwesens in den Ballungszentren ausreichend Grund und Boden mit den verbliebenen Liegenschaften bereitzustellen.
Soziale Baulandmodelle zur Wertabschöpfung, Milieuschutz- und andere kommunale Satzungen können die negativen Folgen nur teils abstellen und nicht zurückdrehen. Das vermag nur der Zugriff auf den Grund und Boden selbst, um die unterschiedlichen Interessen mit vorhandenen Mitteln auszutarieren. Jede Gruppe, ob gewerbliche Investoren, privater oder öffentlicher Wohnungsbau, Handel, Industrie, Logistik oder Zivilgesellschaft kämpft um ihren Anteil am städtischen Boden.
Der Verkauf von Grundstücken der öffentlichen Hand kann durch Satzungsbeschluß beendet oder zumindest auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Das bedeutet keinesfalls den Stillstand der Rechtsvergaben an solchen Grundstücken. Die Hingabe als „wesensgleiches Minus“ zum Eigentum, aber einem abgesicherten „Mehr“ als nur die Nutzung in rein schuldrechtlichen Verträgen ist das bereits im BGB seit 1919 verankerte und 2007 in das Erbbaurechtsgesetz umbenannte Erbbaurecht.
Das Erbbaurecht definiert sich dadurch, dass ein Stück Land nicht gekauft, sondern mit dinglicher Sicherung gepachtet wird. Es wird kein Anschaffungspreis fällig, sondern über zu verhandelnde 15 – 99 Jahre und sogar darüber hinaus verteilt, fällt ein jährlicher Erbbauzins an, der sich am Bodenwert orientiert. Der erbbauberechtigte Nutzer, der in ein gesondertes Erbbaurechtsgrundbuch eingetragen wird, kann somit faktisch losgelöst auf diesem Stück Land, dessen Eigentümer ein anderer, ein oder mehrere Gebäude und Anlagen errichten. Die fest verbundenen Aufbauten bleiben nach dem BGB weiterhin wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, werden aber zur Behandlung des Sonderfalls zivilrechtlich getrennt betrachtet.
Das ist auf Grundlage der Verfassung der DDR im Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB) mit der gesellschaftspolitischen Entscheidung, privates Eigentum nicht zulassen zu wollen, seit 1976 so generalisiert worden. Damit war es möglich, den Grund und Boden „volkseigen“ zu enteignen und dem
privaten Häuslebauer sein Hausbau auf fremder Parzelle zu ermöglichen. Die dadurch entstandenen nachwende bedingten Rechtsfolgen waren durch Übergangsregelungen auszugleichen gewesen.
Im Erbbaurecht liegt keine Änderung der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, sondern eine geregelte Ausnahme vor. Der Vorteil des Erbbaurechts für Kommunen liegt neben dem Erhalt des Eigentums in der Gestaltungsfreiheit, die Flächen in erforderlichem Umfang bebauen zu lassen, faktisch also das gewollte Baurecht in der vertraglich zu vereinbarenden Zweckbindung zu vergeben. Die Stadtentwicklung kann so wirksam gelenkt werden. Bei Nichteinhaltung von Bauverpflichtungen kann das Grundstück durch das Auslösen des Heimfalls zurückgefordert werden. Gleiches gilt für den privaten Eigentümer; obgleich selten genutzt. Für die regional verbundenen Investoren ergibt sich der Vorteil, dass dieses Recht international durch spekulativ aktive Finanzinvestoren nicht gehandelt werden kann; enge Verzahnungen von kommunalem Interesse und regionaler Wirtschaft über übliche Vergabekonzepte werden forciert.
Ein Hemmnis für die Finanzierung und Absicherung der Geldgeber stellen aber auch für den regionalen Vorhabenträger die begrenzte Laufzeit und ebenda der Heimfallanspruch dar. Hier ist ein Umdenken der Finanziers erforderlich oder verstärkt das Einbinden der KfW und der zivilgesellschaftlich geforderten Landesbanken und territorial verpflichteten Sparkassen. Nach Auslaufen des vertraglich vereinbarten Erbbaurechts fällt das aufstehende Gebäude, da wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens, an den Eigentümer zurück.
Gesetzlich geregelt muss dieser mindestens die Hälfte des Verkehrswertes der Aufbauten an den Erbbauberechtigten entschädigen; je nach individueller vertraglicher Vereinbarung mehr, in keinem Fall gesetzlich weniger. Dieser Anspruch ist abtretbar, verpfändbar und als dinglich im (Erbbau-)Grundbuch absicherbar; also als Kreditsicherung einsetzbar. Gleiches gilt für den bei vertraglicher Nichterfüllung geregelten Heimfall, der neben dem Erbbaurechtsgeber an einen zu benennenden Dritten erfolgen kann.
Das Erbbaurecht ist damit ein Steuerungsinstrument. Seine Erlöse fließen in die öffentlichen Kassen und es verhindert effektiv die Bodenspekulation. Den Kommunen ermöglicht das Erbbaurecht in Zusammenarbeit mit privaten Investoren einen hohen Gestaltungsspielraum bis hin zur Einlage der betroffenen Grundstücke in gemeinnützige Stiftungen. Die Politik ist gefordert, der Exekutive für die individuell sehr weitreichenden kreativen Vertragsmöglichkeiten Mut zu machen, da eine Standardisierung für die große Flexibilität der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten tödlich wäre.
Leipzig, aktualisiert aus aktuellem Anlass Leuschner Platz B Plan Verfahren am 20.02.2020