Ein Plädoyer
Schon im vergangenen Jahr traf ich im Club International auf einen fröhlichen Heribert Seipel, der mit „Putins Macht“ just sein aktuelles Buch vorgelegt hatte. Es konnte kein Zufall sein, dass die Veröffentlichung auf den 24.02.2022 vereinbart gewesen war. Viele Fakten und seine persönliche Aussagen entsprachen im Empörungszeitalter der eiligen Meinungsbildungen schon vor einem Jahr nicht dem „Main-Stream“; Diskussionen waren aber gewünscht und möglich. Dankbar bin ich für den konträren Austausch!
Ein Jahr später müssen wir allerorten feststellen, dass die Diskussionen innerhalb gebotener Abwägung und gesellschaftlicher Formate sich weiter eingeengt haben und Menschen noch absoluter, ja fast radikal miteinander umgehen. Das gilt für viele Bereiche in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Bürgerbeteiligungen überschlagen sich in übereilten und in Worthülsen gekleideten Formaten ohne Rahmen und Zieldefinition mit den vorhandenen demokratischen Instrumentarien. Politische Debatten werden unnötig hektisch und unfair verkürzt geführt, Projekte werden ziellos und ineffizient geleitet, Entscheidungen mangels Leadership, Mut und Kompetenz nicht gefällt. Rückzug in ewigen Abwägungsprozessen, mangelndem Entscheidungswillen oder -Können führen zu Ineffizienz und Unproduktivität.
Folge: Verwaltungen in Management, Politik und öffentlich- rechtlicher Verwaltung werden aufgebläht, statt projektsteuernd gestrafft. „Entbürokratisierung“ kann nicht erfolgen. Verlierer ist die Zivilgesellschaft und der Macher, der gestalten will und kann – mit eigenem Kopf, Geld und Risiko, noch als Mittelständler bekannt. Deutschland überaltert altersunabhängig im Kopf.
Da werden junge Menschen im Ausüben zivilen Ungehorsams, über deren Maßnahmen zwischen Kunstschändung und Klebetests man in strafrechtlicher Relevanz man sicherlich streiten muss, als „Klima – RAF“ und die Krisen der Welt als „Autos wie bei einer Massenkarambolage“ bezeichnet. Letztere ältere Weltakteure mit Vorbildfunktion für die jungen Weltbürger wundern sich dann über die ernannte Aussichtslosigkeit der Jugend im verzweifelten Ungehorsam. Es heißt nicht umsonst „den Worten folgen Taten“.
Liegen bleibt die Effizienz, der Mut und die Entschlossenheit es besser zu machen. In Gefahr gerät das demokratische System im Bemühen, nicht gegen, sondern mit der eigenen Zivilgesellschaft zu gestalten. Große Bevölkerungsgruppen wenden sich ab ohne erkennen zu wollen, dass sie das von sich selbst, dem Volk/ Souverän tun. Nicht nur schade, sondern mit verheerender Auswirkung und natürlich auch Grund für den Rückzug aus der gesellschaftlichen Eigenverantwortung ist dabei auch die allseitige gesellschaftliche, berufliche – auch die mediale Berichterstattung, indem sich alle auf dieselben superaktuellen Themen stürzen ohne den Dingen kontrovers und unter Außerachtlassung anderer politischer Notwendigkeiten im öffentlichen Diskurs auf den Grund zu gehen. Wir merken es doch überall, wenn aus allen Gruppen der Gesellschaft zu hören ist „man darf ja nichts mehr sagen, sonst ist man gleich grün-links versifft links oder Nazi“. Dazwischen scheint es, weicht man argumentativ vom vorgebeteten Mainstream ab, nichts zu geben. Abwägungen und gut durchdachte Überlegungen zu einzelnen Themen, die innerhalb komplexer Zusammenhänge erarbeitet werden müssen, werden als Schwäche oder Zögerlichkeit oder „menschliches Auslaufmodell“ abgetan. Das schnelle Wort, die unüberlegte und dann leider auch ungebildete und dem Empfänger gegenüber respektlos hingeworfene Mail oder Äußerung in den sozialen Medien, „Management by Headset“ in Eile und unvollkommene dauernde Erreichbarkeit ohne Tiefgang hat gebildetes und überlegtes Handeln überholt. Das gilt in allen Bereichen unseres Lebens. In Hektik gedeihen Fehler, respektvoller Umgang geht verloren wie auch der Blick fürs Ganze.
Mein Plädoyer: Lassen Sie uns überlegt und belesen in Wissen und Respekt miteinander reden und gestalten!
In diesem Sinne: ein gesundes und gehaltvolles Neus Jahr im Diskurs miteinander!